Im englischen Original heißt das Thema „Splitting the Difference“ oder zu gut deutsch „Differenzen teilen“.
Ein klassisches Thema in Verhandlungen ist die Problematik, dass am Ende eines Verhandlungsabschnitts (oder der gesamten Verhandlung) eine Differenz übrig bleibt. A möchte beispielsweise 100 erlösen, der Geschäftspartner B aber nur 96 bezahlen. In erstaunlich vielen Fällen kommt jetzt einer der Gesprächspartner auf die glorreiche Idee: „Lass‘ uns doch die Differenz teilen!“ Warum machen wir das? Ich denke, weil die meisten von uns bereits als Kinder so erzogen wurden, dass dieses Vorgehen besonders „fair“ sei (was auch immer „fair“ bedeutet und wer auch immer das definiert). Wir treffen uns also in der Mitte bei 98.
Was ist schon „fair“ in einer Verhandlung?
Jeder exzellente Verhandlungsführer weiß dagegen, dass (1) so etwas wie Fairness an dieser Stelle nicht existiert und (2) dass es gar keinen Grund gibt, ohne jede Gegenwehr 2 aufzugeben. Durch diese Fairness-Konditionierung (die übrigens über kulturelle Grenzen hinweg in vielen Ländern so funktioniert, aber nicht in allen) überlegen sehr viele Verhandlungspartner keinen einzigen Moment und stimmen zu. Es ist dann ja auch automatisch ein „fairer“ Deal! Aber warum denn eigentlich? Möglicherweise ist 97 oder 99 ein viel fairerer Deal? Ich weiß das nicht – das hängt selbstverständlich total vom Kontext ab.
Differenzen teilen
Mein Appell ist eindeutig:
- Halten Sie inne!
- Überlegen Sie für einen Moment, unter welchen Bedingungen Sie der anderen Seite (bzw. Ihr Gesprächspartner Ihnen) Ihre Forderung erfüllen kann.
- Meist ist es – im Sinne von verHANDELN – viel sinnvoller, dem Partner zu geben, was er erhalten muss und mir auf der anderen Seite zurückzuholen, was ohnehin einen höheren Wert für mich hat – statt Differenzen zu teilen.